Das ist meine aktuelle Kolumne beim Online-Medium Nau. Meine Texte dort sind eine Spur pointierter und provokativer als meine normalen Texte hier im Newsletter.
Das Schweizer Radio und Fernsehen SRF hat angekündigt, eine Reihe von Sendungen zu streichen. Das People-Format «Gesichter & Geschichten» segnet das Zeitliche, und auch den Radio-Sendungen «Wissenschaftsmagazin», «Kontext» und «Trend» wird der Stecker gezogen. Der Grund für den publizistischen Abbau: SRF muss den Gürtel enger schnallen. Es ist zu wenig Geld da.
Ein bisschen sparen, ein paar Änderungen im Programm – alles halb so wild, oder? Nicht ganz. Die Sparübung findet nicht im luftleeren Raum statt. SRF weht seit Jahren ein rauer politischer Wind entgegen. Die jüngsten Ankündigungen des SRF-Managements sind ein Versuch, die SRF-Gegner zu besänftigen. Doch diese Appeasement-Strategie wird das Ende von SRF nicht verhindern, sondern im Gegenteil beschleunigen.
Der Sinn öffentlicher Medien
Die Schweiz hat, wie die meisten demokratischen Länder, öffentlich finanzierte journalistische Medien. Ihre Aufgabe ist es, ohne kommerziellen Druck und ohne politische Einflussnahme unabhängigen Journalismus zu machen. Das stärkt Demokratie. Es ist aber auch sehr nervig, weil wir alle dafür zahlen müssen.
Der Grund, warum wir alle dafür zahlen müssen: Öffentliche Medien haben einen «Service Public»-Auftrag. Sie liefern, was private Medienunternehmen nicht liefern können, weil es zu viel kostet. Setzen SRF und Co. diesen Auftrag immer gut um? Natürlich nicht. Ich selber kritisiere SRF regelmässig (und durchaus mit Gusto). Zum Beispiel habe ich vor rund 10 Jahren ein klein wenig dazu beigetragen, dass SRF Astrologie-Bullshit aus dem Programm genommen hat.
Mit der jüngsten Sparrunde sägt SRF aber an der eigenen Existenzberechtigung. Man streiche die Sendungen, so die Begründung, weil zu wenig Leute sie schauen und hören. Das macht keinen Sinn. Erstens hat z.B. «Gesichter & Geschichten» ein sehr grosses Publikum. Zweitens und wichtiger: SRF soll eben gerade nicht Inhalte liefern, die an Quoten gebunden sind, sondern Inhalte, die journalistische Qualität bieten.
Nach der Streichung von «Trend» wird SRF gar kein Wirtschaftsformat mehr haben. Mit dem Ende des «Wissenschaftsmagazins» rückt der Tod des ohnehin kränkelnden Wissenschaftsjournalismus ein gutes Stück näher. Und mit «Kontext» verschwindet ein Format, das auf vertiefte Recherche jenseits der täglichen Schlagzeilen setzt. Wenn solche Formate nicht der Sinn öffentlicher Medien sind, was dann?
Mehrere SRF-Journalisten haben sich kritisch zur Abbau-Strategie des SRF-Managements geäussert. Das Management intervenierte und zwang die Journalisten, ihre Posts auf Social Media wieder zu löschen. Wem die Zukunft des Journalismus bei SRF am Herzen liegt, kriegt einen Maulkorb.
Warum bekämpft die Beletage von SRF den Journalismus von SRF?
Vorauseilender Gehorsam
In vielen Ländern, so auch in der Schweiz, wollen mächtige Akteure öffentliche Medien abschaffen. Ein Grund dafür ist Geld. Wenn es keine öffentlichen Medien gibt, nutzen mehr Menschen private Medien, was diesen entsprechend mehr Einnahmen über Abos und Werbung einbringt.
Der zweite Grund, warum es einen Kampf gegen öffentliche Medien gibt, ist ideologischer Natur. Öffentliche Medien sind unabhängig. Sie können nicht so einfach beeinflusst, erpresst oder aufgekauft werden. Der Oligarch Christoph Blocher konnte Dutzende Lokalzeitungen in der Schweiz kaufen, in denen er nun seine Propaganda ungefiltert streuen kann. SRF aber können er und seinesgleichen nicht kaufen. Darum wollen sie es abschaffen.
Über SRF hängt momentan das Damoklesschwert der «Halbierungsinitiative»: Eine Volksinitiative, die das Budget aller SRG-Medien auf einen Schlag halbieren würde. Diesen GAU möchte das SRF-Management verhindern. Die Strategie ist offenbar, proaktiv Journalismus abzubauen, um damit politischen Goodwill zu schaffen. Wenn man selbst umfassend genug zusammenstreicht, kann man im Abstimmungskampf argumentieren, dass man ja schon am Abspecken sei und die Halbierungsinitiative gar nicht nötig ist. Lieber den kleinen Finger verlieren als die ganze Hand.
Die falsche Strategie
Diese Appeasement-Strategie wird grandios scheitern. Es wird nämlich umgekehrt kommen: Man gibt den SRF-Gegnern den kleinen Finger, aber genau deswegen wird es für sie einfacher, die ganze Hand zu nehmen. Wenn SRF ausgerechnet jenen Journalismus abschafft, der den Kern des Service Public ausmacht – Formate wie «Wissenschaftsmagazin», «Trend» und «Kontext» –, dann werden SRF-Gegner durchaus zurecht sagen: Die Welt ist nicht untergegangen, warum nicht noch mehr, warum nicht alles abschaffen? Wenn SRF gemäss eigener Erklärung auf Inhalte fokussieren will, die in Richtung kurze Häppchen gehen, wie sie auch Private liefern können, wozu benötigen wir dann noch ein SRF?
Öffentliche Medien können die aktuelle Welle des illiberalen politischen Drucks nur überleben, wenn sie selbstbewusst zu ihrer Kernkompetenz, zu ihrem USP stehen: Fundierter Journalismus, der private Medien nicht konkurrenziert, sondern ergänzt und den sonst niemand liefern kann.
Das Management von SRF versinkt im Chaos und macht das Gegenteil. Anstatt sich auf die eigenen Stärken zu besinnen, scheint das Motto zu sein: Zum Teufel mit Qualität, zum Teufel mit Tiefe, wir müssen Kompromisse eingehen. Doch leider bedeutet genau diese Strategie in der Konsequenz: Zum Teufel mit SRF.
Zeigt, dass SRF keine Politiker:innen sind. Taktisch ganz falsch. Man bekommt nie etwas vom Gegner, wenn man ihm vorauseilend entgegenkommt. Sondern man verliert einfach - und die Bevölkerung verliert für nichts hochwertige Radioformate: Die Streichung von "Kontext" und "Wissenschaftsmagazin" ist ein herber Verlust.
Schön interessiert sich jemand dafür. Ich hätte davon nichts gewusst, hätte ich nicht meinen Onkel, der einen offenen Brief verfasst hat. SRF hat einen Bildungsauftrag. Daher würde ich meinen, bestimmte Angebote zu streichen ist nicht so einfach - hoffentlic. Aber jemand muss sich darum kümmern.!?