In der heissen Phase des Wahlkampfs Ende Oktober veranstaltete Donald Trump eine absurde PR-Aktion. Er besuchte eine McDonald’s-Filiale und gab sich für ein paar Minuten als Mann des Volkes, der bei McDonald’s arbeitet. Seine Fans fanden den Pseudo-Event toll. Natürlich: *Ich* esse ja bei McDonald’s! Und jetzt ist Trump dort! Voll geil!
Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern, hat in Donald Trump sein Vorbild gefunden und äfft ihn nun nach. Auch Söder besuchte unlängst einen McDonald’s, um sich genau wie Trump als bodenständiger Mann des Volkes beim Pommes-Schaufeln fotografieren zu lassen. McDonald’s, da war ich doch auch schon mal! So geil!
Falls ihr euch fragt, was solche Aktionen mit Politik, mit politischen Inhalten, mit den vielen Problemen, mit denen wir zu kämpfen haben, zu tun haben — nichts. Absolut nichts. Das ist Anti-Politik: Ein inhaltliches Vakuum, das mit lustigen, aber dummen und immer dümmer werdenden Kapriolen gefüllt wird.
Amusing Ourselves to Death
Der Medienkritiker Neil Postman beschrieb 1985 in seinem Buch “Amusing Ourselves to Death”, wie die Logiken des Fernsehens die politische Debatte atrophieren liessen. Um im Fernsehen erfolgreich zu sein, zählten nicht Argumente und Substanz. Im Gegenteil: Argumente und Substanz sind eher ein Nachteil, da es langweilig ist, differenzierten Argumenten zu folgen. Wer im Fernsehzeitalter politisch Aufmerksamkeit wollte, musste stattdessen telegen sein: Knackige Sprüche klopfen, kurze Aufmerksamkeitsspannen bedienen und genug Stimulation liefern, damit das Publikum nicht wegzappt. Politik verdummte, weil sie zu Unterhaltung werden musste.
Mit seiner Diagnose hatte Postman recht. Aber er hätte sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können, dass wir uns irgendwann nach dieser Zeit der Fernseh-Verdummung zurücksehnen. Die politische Verdummung, die wir heute erleben, ist um Grössenordnungen absurder.
Politiker vom Schlage Trumps oder Söders bedienen nicht mehr nur auf Unterhaltung gemünzte Fernsehlogiken. Sie sind fleischgewordener Internet-Brainrot. Dummheit im Endstadium, die vollends von Inhalten losgelöst ist und nur noch stimuliert und den Kick liefert. Es geht ausschliesslich um “Vibes”, um Gefühle und Affekt; darum, dass etwas unmittelbar geil ist und Spass macht oder ungeil ist und wütend macht. Zum Denken anregen darf es auf keinen Fall. Brainrot funktioniert in der politischen Debatte, und zunehmend nur noch das.
Wohin die Reise geht zeigt ein auf den ersten Blick unscheinbares weiteres Beispiel von Donald Trump. Anfang Dezember hat Trump auf seiner Plattform “Truth Social” (die surreale Komik des Namens habe ich immer noch nicht überwunden) ein AI-generiertes Bild von sich mit einem jungen Elvis Presley gepostet.
Das ist kein Argument, es ist keine Information, es ist nicht mal Desinformation, nichts. Es ist einfach dümmst mögliche Unterhaltung. Es ist, wie das Magazin “The Atlantic” treffend festhält, einfach etwas zum Anschauen. Stimulation ohne Denkanstrengung. Und alle machen mit. Für solchen Schrott kriegt Trump über 27’000 Likes — ein Vielfaches der Likes, die er für seine sonstigen Posts auf “Truth Social” erhält, bei denen er zumindest im Ansatz eine politische Aussage macht.
Fundamental unseriöse Menschen
Die rasante Verdummung der Politik ist gefährlich. Nicht, weil die Söders dieser Welt Verdummung als diabolisch gute Strategie der Manipulation einsetzen. Im Gegenteil: Das Problem ist, dass sie es nicht als Manipulation tun. Das Problem ist, dass sie wirklich so dumm denken, wie sie sich öffentlich geben. Sie verstehen nichts, sie können nichts, sie sind mit der Komplexität der Welt heillos überfordert. Der Brainrot, den sie wiedergeben, ist der Brainrot, der in ihren eigenen Köpfen steckt.
OK, vielleicht bin ich bei dieser Diagnose zu unfair (oder zu fair?). Vielleicht spielen Trump und Söder und Co. vierdimensionales Schach und bringen verdummende Inhalte bewusst sehr strategisch, im Wissen, was für Schaden sie damit anrichten. Es spielt letztlich aber keine Rolle. So oder so wird die Verdummung weiter vorangetrieben, so oder so erschöpft sich die Leistung der Populisten in verdummendem Schrott. Die lauten Söders dieser Welt werden nie nützliche Beiträge zur Lösung von Problemen machen. Ihr Modus Operandi ist Schwachsinn. Sie sind grundlegend und umfassend unseriöse Menschen.
Genau darum ist Populismus eine tickende Zeitbombe. Wir können uns durchaus in den lustigen Kapriolen der Populisten verlieren — McDonald’s, so geil! — und so tun, als ob alles ein Witz und nichts ernstzunehmen ist. Die Realität wird uns früher oder später aber einholen. Garantiert.
Wir werden uns zu Tode amüsieren.
Es wird nie mehr besser
Können wir die Verdummung der Politik bremsen? Ich bezweifle es. Die diskursiven Rahmenbedingungen, die Brutalisierung der Aufmerksamkeitsökonomie, begünstigen verdummenden Nonsense. Und wenn das Niveau der Debatte erst mal gesunken ist, ist es fast unmöglich, es wieder anzuheben. Wer es versucht, findet ganz einfach kein Gehör und geht in der Kakofonie der Verdummung unbeachtet unter.
Hinzu kommt: Eine ganze Generation wird auf Dummheit konditioniert. Ältere Leute wie ich haben zumindest die vage Erinnerung, die blumige Nostalgie an Zeiten, in denen es weniger arg war. Jüngere Menschen hingegen kennen nichts ausser dummen Schrott. Wir haben uns den Bullshit angewöhnen müssen. Sie wurden in den Bullshit hineingeboren. (Ja, ich übertreibe, vielleicht sogar massloss, aber ich glaube, dass ich in die richtige Richtung übertreibe.)
Die Frage ist nicht, ob es mit der Verdummung jemals besser wird. Die Frage ist, ob wir den Tiefpunkt schon erreicht haben oder ob es noch dümmer geht. Ich befürchte, Söder und Co. laufen sich erst warm.